KolumneNeuruppin

Wie der Rechtsstaat vor Anja Thieme zusammenbricht

Sie ist eine wirklich schöne Frau. Aber sie ist nicht nur schön. Sie ist auch gefährlich. Sie bricht Scheibenwischer ab, schlägt Autoscheiben ein, zerkratzt Motorhauben oder greift Menschen an. Bei der Polizei gilt sie als extrem gewalttätig. So gewalttätig, dass die Polizei davor warnt, sie zu stellen, sich zu wehren. Die Polizei empfiehlt, lieber weg zu laufen. Fast 300 Strafanzeigen wurden gegen sie in den vergangenen fünf Jahren erstattet. Verurteilungen? Null! Sie hat den sogenannten Jagdschein, gilt als unzurechnungsfähig. “Auch solche Leute muss ein Rechtsstaat aushalten!” soll einmal ein Richter am Amtsgericht Neuruppin gesagt haben. Nein, muss er nicht. Denn diese Frau ist gemeingefährlich für die Allgemeinheit!

Zahlreiche Neuruppiner kennen das – hier war wieder die Katzenfrau am Werk. Ein Relikt aus ihrer “blauen Phase”

Neuruppiner kennen sie, die Katzenfrau, die Scheibenwischerolle, die Wahnsinnige. Als Anja Thieme am 24. August ’82 geboren wurde, wusste sie noch nicht, wie ihr Leben einmal verlaufen wird. Die heute 41 jährige ist eigentlich eine sehr attraktive Frau. Aber sie ist manisch depressiv. Und besessen von Katzen. Als die aus Berlin-Köpenick stammende Frau wegen ihrer ununterbrochenen Straftaten aufs Land förmlich abgeschoben wurde, stellte die Stadt Neuruppin ihr eine schicke Wohnung zur Verfügung. Nicht nur eine. Aber sie ist aus jeder Wohnung wieder rausgeflogen. Mal hat sie hinter der Wohnungstür den Nachbarn aufgelauert, sie von hinten attackiert, niedergeschlagen, die Einkäufe entrissen. Dann hat sie Nachts gegen Wände und Heizungsrohre gehämmert und so ihre Mitbewohner terrorisiert.

Jetzt hat sie eine schöne Wohnung. Hinten, am Ruppiner Friedhof, Parterre, 60qm, nett eingerichtet. Doch sie ist hier nicht anzutreffen. Man findet sie im Stadtpark, irgendwo im Wald, gleich am See. Sie will obdachlos sein, sie lehnt jede Hilfe ab. Dabei hilft sie selbst, nämlich Katzen. Bis zu 30 Katzen scharen sich um sie im Wald, in dem sie Sommer wie im Winter lebt. Man kann ihr im Internet folgen, wenn man ihre teils wahnsinnigen Videos, Bilder und Texte aushält. “Luna Lucretia”, “anja.tausendsasser” und “Urania Complementaria” sind ihre Facebookaccounts, auf denen sie regelmäßig Fotos und Videos hoch lädt. Dumm ist sie allerdings nicht. Ihre Eltern sind Ärzte, sie hat eine gute Schulbildung, soll sogar eine eigene Familie gehabt haben.

Sie kündigt ihre potentiellen Attacken auf Facebook an

Der Vorteil, ihr zu folgen, ist, dass man immer informiert ist, in welcher Schaffensphase sie gerade ist. Mal sind es blaue Autos, die sie angreift, dann wieder weiße, schwarze, rote. Verbindlich sind ihre Phasen nicht, denn die können sich auch in Minuten ändern. Und immer führt sie an, ein blaues, rotes, weißes oder schwarzes Auto hätte einer Ihrer Katzen überfahren und deshalb müssen alle blauen, roten, weißen oder schwarzen Autos zerstört werden.

Autos müssen zerstört werden

Aktuell ist sie in einer weißen Phase. Das hat ein Autofahrer am Montag zu spüren bekommen. Während Anja auf ihrem Fahrrad hinter ihm vorbei fuhr, während er die Autotür öffnete, trat sie ihm unvermittelt in den Rücken und spuckte ihn an. Zwanzig Meter weiter auch ein weißes Auto, auch ein Autofahrer, den sie ebenfalls in den Rücken trat. Ihre Spuckattacke folgte sogleich. Anja Thieme ist Hepatitis-B positiv. Das Virus hat sich Anja vermutlich auf einer ihrer Gangbang Parties eingefangen. Die feierte sie früher. Heute offenbar nicht mehr. Der Autofahrer nahm die Verfolgung auf, er wusste nicht, daß es sich um Anja handelte. Sie trug trotz des heißen Sommerwetters einen Hoodie und hatte die Kapuze weit über den Kopf gezogen. Wenige hundert Meter weiter konnte der Autofahrer sie stellen, vom Rad reißen und nach einem heftigen Kampf auf den Boden ringen und fixieren. Die zur Hilfe gerufene Polizei kam dann auch. Langsam. Sehr langsam. Auch die Polizei ist es leid, Anja ständig zu verhaften, in die Psychiatrie zu bringen, aus der sie sich nur wenige Stunden später wieder selbst entlässt. Man könne sie ja nicht gegen ihren Willen fest halten, heißt die knappe Erklärung aus dem Krankenhaus. Manchmal, wenn es ganz schlimm ist, und Anja wieder einmal Pfleger oder Polizisten verletzt hat, dann wird sie fixiert. Man hört sie dann draußen, vor dem U-Haus der Ruppiner Kliniken, schreien. Ununterbrochen. Vierundzwanzig Stunden lang. Dann wird sie wieder entlassen. Weil man sie nicht länger festhalten kann. Einmal hat Anja eine Mitarbeiterin des örtlichen Tierschutzvereins verprügelt. Weil diese eine tote Katze von der Straße räumen wollte. Anja behauptete, die Frau habe ihre Katze, also Anjas Katze, getötet. Ergebnis: Blaues Auge bei der Tierschutzfrau, keine Anklage bei Anja. Und auch sonst glaubt Anja, jede tote Katze sei ihre eigene. Und so kommt es immer wieder vor, dass Anja mit toten Katzen im Arm durch Neuruppin läuft. Auch, wenn die Katze schon vor Wochen gestorben ist.

Wie die Justiz versagt

Die Amtsrichter in Neuruppin machen es sich einfach. Nicht zurechnungsfähig, Verhandlung geschlossen. Seit Strafanzeige etwa 150 herum, erhebt die Staatsanwaltschaft Neuruppin nicht einmal mehr Anklage. “Das bringt doch nichts. Die Verhandlung wird eröffnet und das Verfahren sofort fallen gelassen. Die Zeit können wir uns sparen!” hieß es im Jahr 2020 auf Anfrage bei der StA Neuruppin über Anja. Ein Amtsrichter soll einmal bei einer Verhandlung gesagt haben “Ein Rechtsstaat muss auch solche Menschen aushalten!” Ein ganz klarer Fall von Rechtsbeugung und Rechtsmissbrauch. In einem Rechtsstaat, aber eben nicht in Deutschland. Und wenn doch in Deutschland, dann nicht in Brandenburg, wo politisch motivierte Prozesse heute noch immer zum Alltag gehören. Ein Serienstraftäter wurde vor einigen Jahren wegen versuchten Mordes und Brandstiftung an einem leer stehenden Haus zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Der versuchte Mord war, so der Richter, bildlich zu verstehen, da es sich um eine geplante Flüchtlingsunterkunft handelte und es hätten ja wirklich Menschen in dem Gebäude sein können. Der Mann habe bildlich töten wollen. Revision? Abgewiesen. So funktioniert Brandenburg! Vermutlich weil es seit dem Krieg schon immer so funktioniert hat. Und auch im Fall Thieme zeigt die Brandenburger Justiz ihre Vormachtstellung. Auf meine Anfrage beim Oberlandesgericht Brandenburg, sozusagen als Dienstherrn der Staatsanwaltschaften und niederen Gerichte, erklärt man mir, man sähe in meiner Presseanfrage “nicht die Voraussetzungen für einen presserechtlichen Informationsanspruch.” Dafür antwortet die Staatsanwaltschaft Neuruppin überhaupt nicht auf meine Anfrage. Vermutlich hätte ich nicht die Aussage erneuern lassen wollen, wonach die Staatsanwaltschaft Anjas Straftaten wegen der nicht vorhandenen Erfolgsaussichten überhaupt nicht mehr bearbeitet. Die Polizei berichtet in ihren Pressemitteilungen auch nicht mehr über Anja, um “nicht den Hass in der Bevölkerung zu schüren”.

Beschwichtigungsversuche durch die Presse

Die MOZ, die Märkische Onlinezeitung, veröffentlichte bereits im Jahr 2020 einen Kommentar ihrer Mitarbeiterin Melzer-Voigt. Damals hatte sich Anja erst 200 Strafanzeigen erarbeitet. Melzer-Voigt schrieb in einem Kommentar, betroffene Einwohner hätten keineswegs das Recht, sich selbst zu helfen, nur weil die Behörden nichts tun. Das sah man bei der MOZ offenbar als Aufruf und veröffentlichte sogleich einen weiteren Bericht, in dem eine Aussage der Staatsanwaltschaft Neuruppin abgedruckt wurde, man werde “alle anderen Delikte selbstverständlich verfolgen”. Gemeint sind Delikte die nicht Diebstahl, Sachbeschädigung, Körperverletzung oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sind. Das macht die Arbeit der StA sehr übersichtlich, denn andere Delikte begeht Anja gemeinhin nicht.

Das Paradoxe an dem Fall: Eine Frau darf nicht zur Rechenschaft gezogen werden, weil das in diesem Fall Unrecht wäre. Diese Frau darf aber vielen anderen weiterhin ungestört Unrecht tun. Der Frust bei den Neuruppinern in diesem Fall ist nachvollziehbar. Er darf nun aber keinesfalls ausufern. Nur, weil die Behörden nicht helfen können, heißt das noch lange nicht, dass man sich selbst hilft. Und es lohnt sich dennoch weiterhin, die Polizei zu rufen, wenn die Täterin auf frischer Tat ertappt oder der eigene Scheibenwischer Opfer ihrer Zerstörungswut geworden ist. Denn selbst, wenn die Frau aggressiv auftritt, wenn sie an der Flucht gehindert wird, hat das ein Gutes: Für solche Taten kann sie durchaus belangt werden.

https://www.moz.de/lokales/neuruppin/kommentar-hilflosigkeit-von-behoerden-50395903.html

Wütende Bürger

Bei dem Vorfall am Montag Abend erinnerten die Bürger sich nicht an diese Aufrufe. Weil sich Anja so extrem zur Wehr gesetzt hatte, fixierte der Autofahrer sie auf dem Boden, während sie unablässig um Hilfe schrie. Kommentare der Schaulustigen “Halt die Fresse, Du hast es verdient!” oder “Sei ruhig, hier schlafen Kinder!” waren zu hören. Zahlreiche Dankesbekundungen der Umherstehenden an Anjas Opfer, das endlich mal einer durchgreift, kamen dazu. Eskaliert ist die Aktion, als ein Bekannter von Anja dazu kam. Augenscheinlich ein rüstiger Rentner, der sich sich sofort einmischte, verlangte von Anjas Opfer, sie sofort los zu lassen. Der Mann, sichtlich langsam körperlich überlastet, brüllte diesen Rentner an. “Geh weg von mir! Geh weg von mir!” Immer wieder. Doch der Rentner provozierte den Mann, boxte ihn schließlich vor die Brust und sagte “Versuch Dich doch mal an mir!”. “Machst Du das nochmal, knall ich Dir eine!” war für die umstehenden zu hören. Das forderte den Rentner scheinbar heraus. “So? Zeig doch mal, was Du kannst!” und boxte den Mann mit der Faust vor den Hals, während er einen im Weg stehenden Schaulustigen als eine Art Schutzschild missbrauchte. Der Mann, der sichtlich angestrengt Anja weiterhin fixieren musste, sprang im Bruchteil einer Sekunde hoch und brachte den Rentner auf Abstand. Ergebnis: Eine Platzwunde auf der Stirn und aufgeschlagene Ellbogen beim Rentner. Immerhin, der war jetzt bis zum eintreffen des Rettungswagens ruhig gestellt, weil sichtlich K.O. gegangen. Und selbst der Rettungswagen hatte es nicht eilig, genauso wie die Polizei. Blaulicht und Martinshorn? Fehlanzeige. Die Polizei wollte offensichtlich eine neue 30er Zone ausrufen, indem sie demonstrativ noch langsamer herangefahren kam. Vielleicht weil sie wussten, Anja hat wieder zugeschlagen, gleich könnte es ungemütlich werden. Und wenn sie gerade in ihrer blauen Phase ist, dann kommen Polizisten in blauen Uniformen gerade recht. So kam die Polizei auch sofort mit gezückten Handschellen zum Ort des Geschehens. Anja wurde schonmal von einem Autofahrer zur Strecke gebracht. Da war sie gerade dabei, auf einer Tankstelle sein Auto mit Fußtritten zu traktieren. Er wollte sie festhalten und die Polizei rufen, doch Anja wehrte sich so heftig, dass sie hinfiel und mit dem Gesicht so unglücklich auf seinem Schuh landete, dass sie sich einen Schneidezahn ausgeschlagen hat. Der wurde ersetzt. Neuruppin hat es bezahlt, während gegen den Mann ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Anja hat ihn wegen Körperverletzung angezeigt. Denn auch, wenn Anja außerhalb des Rechtsstaates steht, nutzt sie doch alle Mittel des Rechtsstaates aus. Und auch diesen Montag haben sowohl Anja als auch der Rentner Strafanzeige wegen Körperverletzung erstattet. Polizei, Staatsanwaltschaft und Amtsgericht werden ihre Arbeit schon verrichten, zumindest, wenn es nicht gegen Anja geht. Und so bleibt einfach nur abzuwarten, wann Anja versehentlich einen Autofahrer oder -fahrerin erwischt, die sich so unglücklich verletzt, das bleibende Schäden zurück bleiben. Aber auch dann wird Anja vermutlich schuldunfähig sein und wieder nicht zur Rechenschaft gezogen werden.

Anja Thieme (von ihrem Facebookaccount öffentlich freigegeben)