Notwehr oder Rache? Polizist betritt illegal Haus und schießt auf Hund
Freitag, 1. August 2025, kurz nach 13 Uhr.
Die Augustsonne brennt auf die Luchstraße in Fehrbellin, als ein silberblaues Polizeiauto zwischen den Lagerhallen vorfährt. Am Steuer: Dietmar Strohm, 60, Revierpolizist in Fehrbellin seit über drei Jahrzehnten. Neben ihm sein Kollege, 20 Jahre jünger, beide eigentlich nur unterwegs, um eine harmlose „Postzustellungsurkunde“ zu überbringen – eine PZU, die laut Adresse ohnehin an den Melde- und Wohnort und nicht an dieses abgelegene Grundstück hätte gehen sollen. Damit wäre die Zustellung schon gar nicht rechtskräftig gewesen.
Was die Beamten genau wissen: Hinter der offenen Haustür wohnt Belenus, ein Kaukasischer Owtscharka, 60 Kilo Herdenschutzhund, von Kopf bis Schwanz liebevoll erzogen, aber mit tausend Jahren Zucht im Nacken, die ihn lehren, seine Herde – in diesem Fall seinen Menschen – mit dem Leben zu verteidigen. Was sie ebenfalls wissen: Das alles hier ist ein Privatgrundstück, wie ein gutes Dutzend Schilder an allen Einfahrten auf das riesige Gelände erklären. Für Schilder wie “Achtung Lebensgefahr! Freilaufender Hund” oder “Betriebsgelände! Zutritt für Unbefugte verboten” interessiert sich Strohm nicht. Trotzdem rollen sie langsam über das Firmengelände, bis der Wagen nur noch wenige Meter von der Haustür des Zielobjektes entfernt steht.
Belenus schläft hinter der Türschwelle, seine riesige Brust hebt und senkt sich ruhig – bis Tritte auf dem Betonboden knirschen. Strohm, eigentlich in Recht und Gesetz ausgebildet, will einen Blick ins innere des Hauses erhaschen, steckt den Kopf durch die offen stehende Tür. Kein Klingeln, kein Rufen, kein Hupen, nur leises heranschleichen an die offene Haustür. Sekundenbruchteile später steht der Hund, kein Knurren, nur ein fast majestätischer Blick, der sagt: „Das hier ist mein Revier“. Der erste Kontakt ist ein warmer Druck von Zähnen auf Strohms Unterarm. Kein Biss im klassischen Sinne, eher eine Warnung, ein „Geh zurück“. Der Arm ist angeritzt, von Blut kaum eine Spur. Das konnte man sehen, Strohm trug ein kurzärmeliges Hemd.
Hätte Belenus Ernst gemacht, würde Strohm jetzt nicht mehr stehen.
Doch statt zurückzuweichen, greift Strohm zur Dienstwaffe. Die Sicherung klickt, ein einzelner Schuss splittert die Mittagshitze – und trifft. Die Kugel bohrt sich durch Belenus’ Schädel, reißt Gaumen und Oberkiefer in Stücke, bleibt als tödliches Geschenk im Gehirn zurück. Der Hund taumelt, Blut spritzt gegen die Wände, doch er läuft noch, taumelt auf den Hinterhof, wo er sich zwischen Paletten versteckt und erst einmal keine Hilfe bekommt.
Was folgt, liest sich wie ein Kriegsszenario: Mehrere Funkstreifen, ein Großaufgebot, das Gelände wird weiträumig abgesperrt, Maschinenpistolen werden laut Augenzeugen sichtbar. Erst nach über 30 Minuten darf ein Tierarzt den schwer verletzten Hund betreuen. Die Not-OP rettet Belenus das Leben, die Kugel bleibt aber für immer im Kopf. Knochensplitter, zertrümmerter Kiefer, Monate der Reha liegen vor ihm.
Die offizielle Version der Polizei klingt anders: „Extrem aggressiver Hund griff unvermittelt an, Schuss in Notwehr“, heißt es in den Meldungen von MAZ und MOZ . Doch Klaus Baumdick, Initiator des Tierschutzregisters, war wenige Stunden später vor Ort. „Ich kenne Belenus seit Jahren – ein sanfter Riese, der hier nur das tat, wofür er gezüchtet wurde: seine Familie schützen“, sagt er. „Strohm ist kein Unbekannter auf dem Gelände, er wusste von dem Hund. Und er wusste, dass er das Grundstück schon gar nicht betreten durfte, wenn überhaupt, nur bis zur Haustür. Alles andere ist Hausfriedensbruch.“
Baumdick kündigt an, Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung am Tier und unterlassener Hilfeleistung zu erstatten – nicht nur gegen Strohm, sondern gegen jeden beteiligten Beamten, der den verletzten Hund über eine halbe Stunde blockierte. „Leute wie Strohm haben im Polizeidienst nichts verloren“, sagt er. „Das war keine Notwehr, das war eine Show – und Belenus hat dafür beihnahe mit seinem Leben bezahlt. Oder wird es noch, denn es nicht klar, dass er überlebt“
Die Ermittlungen laufen, der Revierpolizist ist weiter im Dienst, und Belenus liegt mit zertrümmertem Kiefer zu Hause. Der Tierarzt wollte ihn nicht behalten.
Sein Herrchen hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben: „Er hat uns immer beschützt, jetzt sind wir dran.“